Kurzer Abriß über die Geschichte der Bürgerwehr 1848 Königsberg i. Franken

Die Stadt Königsberg in Bayern, im Schnittpunkt des Städtedreiecks Bamberg, Coburg und Schweinfurt gelegen, schmiegt sich an die sanften Ausläufer der westlichen Haßberge. Ein reicher Bestand an Fachwerkbauten, Kirchen und die Reste einer Stauferburg auf dem Schloßberg machen sie zu einem denkmalpflegerischen Kleinod von nationalem Rang.
In diesem kleinen Städtchen im Frankenland findet sich eine der außergewöhnlichsten Traditionen in Deutschland:
   Die Bürgerwehr 1848 Königsberg.

Als einzige ihrer Art in ganz Deutschland beruht ihr Ursprung in der Deutschen Revolution von 1848. Alle anderen Bürger- und Landwehren verdanken ihre Entstehung kommunaler oder landesherrlicher Gesetzgebung. Die Einrichtung dieser Bürger- und Landwehren geschah also immer auf Befehl von oben, oft auch gegen den Widerstand der Bürger.
Ganz anders verlief die Gründung der Königsberger Bürgerwehr. Von den Bürgern ins Leben gerufen wurde ein Hauptmann gewählt, die Zugehörigkeit war freiwillig, die Offiziere wurden von den Wehrmännern durch Wahl bestimmt.
Diese urdemokratischen Werte wurden bis auf den heutigen Tag erhalten:
Der Hauptmann wird in einer offiziellen Bürgerversammlung unter Leitung des amtierenden Bürgermeisters gewählt, die Bürger nehmen freiwillig an den Auszügen teil und diese Wehrmänner wählen auch die weiteren Offiziere des Kommandos.
Im Laufe ihrer Geschichte wurde die Bürgerwehr von 9 Hauptmännnern geführt, der zur Zeit amtierende Hauptmann Wolfgang Fischer wurde im Jahre 1992 gewählt.

Geschichtlicher Ursprung


Nach den Schrecken des dreißigjährigen Krieges hatte das alte Reich deutscher Nationen die innere Bindung durch einen starken Kaiser verloren. Es bildeten sich viele absolutistische Einzelstaaten, die in ihrer Machtfülle und Verschwendungssucht dem französischen Königtum nacheiferten, das aus diesen Wirren als gefestigste Zentralmacht hervorging.
Das Volk verarmte unter den drückenden Lasten. Gleichzeitig bildete sich aber das Bürgertum heraus und drängte auf Beteiligung an Regierung und Wohlstand. Doch die Herrscher verweigerten dies rigoros und so erhob sich als erstes das französische Volk im Jahre 1789.
Für alle Menschen wurden gleiche Rechte gefordert:

Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit


Sie finden ihren Ausdruck in den Farben der französischen Revolutionsfahne, der Tricolore.
Uneins, nur den eigenen Vorteil suchend, regieren derweil die deutschen Könige und Fürsten auf Kosten des Volkes.
Mit der Besetzung durch die französische Revolutionsarmeen kommt das freiheitliche Gedankengut auch mitten unter das deutsche Volk.
Um sich von der Fremdherrschaft zu befreien, schließen sich alle freiheitsliebenden Kräfte zusammen. In der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 wird die endgültige Niederlage der französischen Armeen und ihrer Verbündeten besiegelt.
Mit diesem Ereignis wächst eine allgemeine Sehnsucht nach einem einigen und staken Deutschland heran. Doch wiederum festigen die deutschen Könige und Fürsten mit den Beschlüssen des Wiener Kongresses 1815 ihre Herrschaft mit der Errichtung des Deutschen Bundes, einem losen Zusammenschluß souveräner Einzelstaaten.
Aber in den intellektuellen Kreisen keimte das Gedankengut weiter. Jenaer Studenten regen 1817 zur Erinnerung an die Reformation von 1517 und an die Völkerschlacht ein Treffen an, das als Wartburgfest in die Geschichte eingeht. Es ist die erste öffentliche politische Demonstration für Freiheit, Bürgerrecht und Nationalstaat.
Der Deutsche Bund reagiert heftig.
Bücher werden verbrannt, die wenigen Rechte eingeschränkt. Und nach der Ermordung des Publizisten Kotzebue durch den Burschenschaftler Karl Sand werden mit den Karlsbader Beschlüssen weitere Beschränkungen verordnet.
Doch das einmal gewonnene geistige Gut ließ sich nicht mehr so leicht unterdrücken, im Geheimen wurden die Gedanken weitergetragen und gepflegt.
Die Julirevolution in Frankreich 1830 strahlte wiederum nach Deutschland aus. Mit dem Hambacher Fest, zu dem 30 000 Teilnehmer zusammenströmen, erreichte der Ruf des Volkes nach Souveränität und der Einheit Deutschlands einen weiteren Höhepunkt.
Erstmals werden die Farben schwarz-rot-gold in der heutigen Form öffentlich gezeigt:
Die deutsche Tricolore!

Die Symbolik dieser drei Farben wird so gedeutet:
schwarz - aus dem Dunkel der alten Herrschaft
rot - über das rote Blut des Kampfes
gold - zu den goldenen Zeiten einer besseren Zukunft
Erneut reagierte der Deutsche Bund mit weiteren Repressalien, u.a. Aufhebung der Pressefreiheit, Versammlungsverbot, Verbot der Farben schwarz-rot-gold.
Doch die Revolution war nicht mehr aufzuhalten!
Wiederum ist Frankreich mit der Februarrevolution 1848 der Auslöser:
Im März des gleichen Jahres erhebt sich das deutsche Volk, um gegen geistige und materielle Unterdrückung zu kämpfen und ein einiges Deutschland zu schaffen. Im ganzen Land bilden sich Bürgerwehren, um notfalls mit Waffengewalt die Ziele durchzusetzen.

Die Königsberger Bürgerwehr

Auch die Königsberger wollten mehr Rechte und Freiheiten!
Der Sternwirt am Marktplatz läßt die schwarz-rot-goldenen Farben aufziehen, patriotische Reden werden gehalten, die Königsberger werden zu Revolutionären. Ein reger Schriftwechsel mit dem Landesherrn, Herzog Ernst II, entsteht. Die Bürger bitten um Verbesserungen für ihre Stadt und ihre persönlichen Lebensumstände und verweisen auch auf die Forderungen des deutschen Volkes, die in den Offenburger Erklärungen dargelegt sind.
Zur Untermauerung der Ernsthaftigkeit, aber auch zum Schutz von Stadt und Eigentum, wird die Bürgerwehr gegründet. Die Frauen und Jungfrauen von Königsberg stiften die schwarz-rot-goldene Fahne, die bei der Parade am 22. Oktober 1848 feierlich geweiht wird.
Waffen werden aus Coburg gekauft, man exerziert und übt und muß - Gott sei Dank - keinen einzigen Schuß ab geben.
Aus jener Zeit stammen also die heute noch gebräuchlichen Regeln, die Kommandos, die Art der Ausrüstung.
Einzig der Hauptmann trägt eine militärische Uniform, den sog. Brandenburger Rock und eine Uniformhose. Was die übrigen Kommandomitglieder tragen war früher der Sonntagsanzug der Bürger: der schwarze Gehrock. Erst durch das Tragen von Heckerhut (benannt nach dem badischen Revolutionär Hecker) und Zylinder mit Buschen und Kokarden, durch Säbel, Trommel und Gewehr, wird aus dem Bürger der Offizier der Bürgerwehr!
Voran die Sappeure (= Pioniere) mit Lederschürze und Beil, danach der Tambourmajor mit seinen Tambouren (= Trommlern), der Hauptmann mit Oberleutnant und Leutnanten, die Furiere (= Offiziere für Organisation und Finanzen) und der Feldscher (= Batt.-Arzt), zum Schluß der Fahnenjunker mit den Fahnenbegleitern.
So marschiert das Kommando bei den Auszögen auf. Bei Festumzügen wird diese Formation noch durch eine Salutkanone mit Geschützführer und zwei Kanonieren und durch die Fahnenkompanie ergänzt.

Entwicklung zur heutigen Tradition




Die deutsche Revolution scheiterte im Jahr 1849 endgültig. Die alten Kräfte behielten die Oberhand, weil die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche keine Kontrolle über das Miliätr gewinnen konnte und zerstritten war. Mit der Kapitulation der Festung Rastatt am 23. Juli 1849 versiegte der Wille zu durchgreifenden Änderungen.
Auch in Königsberg schlief die Bürgerwehr ein. Die Gewehre mußten auf herzoglichen Befehl 1852 wieder in Coburg abgeliefert werden.
Aber das Bewußtsein für die Bürgerwehr tauchte Jahrzehnte später wieder auf, das älteste Foto stammt aus dem Jahr 1892, die Protokollbücher beginnen 1913.
Seit dieser Zeit, nur zwangsläufig durch die unseeligen Weltkriege unterbrochen, wird diese Tradition mit zwei Auszügen gefeiert:
Dem Probeauszug am Himmelfahrtstag und dem Festauszug am Pfingstdienstag, dem Höhepunkt und Ahbschluß des weihin bekannten Heimatfestes in Königsberg über die Pfingsttage.